Montag, 30. Juni 2008

Das Wort und die Liebe

„Das Wort und die Liebe“. Ferdinand Ebner sagt:

„Der Mensch hat das Wort und dadurch ist er Mensch. Was aber ist das Wort? Wort ist, was sich, objektiv fassbar, zwischen dem Ich und dem Du begibt. Das Wort ist das „objektive Vehikel“ des Ich zum Du; das subjektive ist die Liebe. Ich und Du, Wort und Liebe, sind die „geistigen Realitäten“. Das Ich aber, „existiert“ nur im Verhältnis zum Du. Das Ich wird in diesem Verhältnis, was es seiner Bestimmung nach sein soll, im wahren, aufrichtigsten Wort und in der echten, wohl-wollenden Liebe (die nicht Vorliebe ist). Andrerseits „entwird“ - zerfällt das Ich – wenn es lügt, schwätzt oder gleichgültig zum Du wird oder gar es hasst.

Zitiert nach Franz Seyr: „Denn seine ichbildende Kraft hat das DU dadurch, dass es – vom Menschen aus gesehen – göttlichen Ranges ist, weil Gott das „wahre Du des wahren Ichs im Menschen“ ist. Am Anfang, aus der Perspektive Gottes, wenn man so sagen darf, ist es umgekehrt: Gott ist das absolute Ich (Ich bin der Ich bin). Der Mensch wurde erschaffen indem Gott sprach: Ich bin und durch mich bist du. Da erwachte der Mensch zum Selbstbewusstsein und er antwortete: Du bist und durch Dich bin ich. So hat nun in menschlicher Perspektive JEDES DU etwas Göttliches an sich, kommt ihm in jedem Du Gott entgegen.

Das „Motiv“ Gottes aber ist die Liebe. Sie strömt von Gott aus, geht in das menschliche Ich ein und strebt durch das mitmenschliche Du wieder zu Gott zurück. So ist die Liebe Gottes „Wirken im Menschen“. Der Mensch ist ihm aber nicht willenlos ausgeliefert; er kann sich vielmehr, das ist seine Freiheit, gegen sie versperren. Und er hat das auch von Anbeginn getan. Deshalb wird der Mensch in Abschließung vor Gott und den Mitmenschen, in Du-Ferne, geboren und verbringt sein Leben meist in Ich-Einsamkeit. Dieser Zustand wäre nicht auszuhalten, wenn nicht Mittel gefunden wären, dies erträglich zumachen: Kultur (Der Traum vom Geist), mythische Religionen, Kunst, vernünftelnde Philosophien... Die verderbliche Wirkung daran: der Träumer erwacht nicht zum Ernst der geistigen REALITÄTEN.

Einmal aber ist, vor zweitausend Jahren, ein unüberhörbarer Weckruf an die Träumer ertönt: Es war das WORT selber, das gerufen hat, das Wort, das im Anfang war, das bei Gott war, in dem alles geschaffen ist und das, Fleisch geworden, die Menschen aus ihrer Ich-Einsamkeit erlösen und zum Du Gottes, unmittelbar und über das Du des Nächsten hinführen wollte. Das Erscheinen Jesu Christi ist ... das absolute Ereignis der Weltgeschichte. Christus ist das sichtbar gewordene Du Gottes, daher kommt das Ich erst im Glauben an das Wort des Christus zur Vollendung.“

Ebner nennt dieses Denken „Pneumatologie des Wortes“ – ein Denken, das „Geist“ vom Wort aus zu erfassen sucht, vom der Sprache ebenso wie vom Wort, das Fleisch geworden ist.

Der Einzelgänger Ebner steht, wie alle übrigen Dialogischen Denker – die jüdischen nicht ausgeschlossen – in einer alten philosophisch-theologischen Tradition. Sie geht auf den Glauben im Alten Testament zurück, hat ihren Höhepunkt im Johannesevangelium. In Augustinus, Anselm v. Canterbury, Pascal, Hegel, Kierkegaard, sogar dem Atheisten Feuerbach leuchten Vorgedanken auf.

Ebners Verdienst ist es, das er als Erster im 20. Jahrhundert die Ich-Du-Dimension als die eigentlich geistige Dimension des Menschen erkannt hat und das Wort als das Strukturgesetz dieser Dimension erschaut hat. Er bleibt dabei nicht an der psychologischen oder sprachphilosophischen Hülle des Wortes haften, sondern schaut und deutet in ihm das Geheimnis des inneren Zusammenhangs zwischen „Worthaftigkeit“ des zwischenmenschlichen Verhältnisses und der „Worthaftigkeit“ der gottmenschlichen Beziehung.

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